Sonntag, 4. Januar 2009
Android auf Netbooks?
Die letzten Tage ging ja ein Rauschen durch den Blätterwald "das Google Betriebssystem Android läuft auch auf Netbooks". Da wurde über "US-Blogger" berichtet, die Android in nur wenigen Stunden "voll funktionsfähig in deutscher Sprache" auf dem Eee PC 1000 zum Laufen bekommen haben. Wer die Beiträge las (ohne den Original-Beitrag zu kennen), konnte schnell den Eindruck bekommen, da ist nun noch ein "weiteres spannendes Linux" für Netbooks unterwegs. Nachdem ich mich etwas detaillierter mit der Thematik befasst habe, kam hier einerseits "Ernüchterung" auf - und andererseits wurde ich auf ein sehr spannendes neues Entwicklungsfeld aufmerksam.

Ja, es stimmt, angeregt durch einen Foreneintrag von Dima Zavin, der Android für den Eee PC 701G kompiliert hat, wurde zwischenzeitlich auch ein Port auf den Eee PC 1000 vorgenommen. Aber was steckt dahinter und was sollte man wissen.

Die beiden Blogger - es handelt sich nach meinem Wissen übrigens um zwei Deutsche (die gelegentlich auch im Silicon Vally tätig sind, siehe hier) - haben sich die Android-Sourcen besorgt und dann mit den Entwicklungswerkzeugen des Android SDK für x86-Plattformen übersetzt, dann auf einen Eee PC zum Booten gebracht und schließlich die Treiber für Grafik und Netzwerk eingebunden. Unter dem Strich eine tolle Leistung - aber mehr oder weniger ein "proof-of-concept", um zu zeigen, dass Android mehr Potential hat, als nur auf einfachen Handys als Betriebssystems zu laufen.

Wer den Original-Beitrag bei venturebeat.com liest, erkennt aber auch, dass die teilweise berichtete Android-Lokalisierung noch "in Arbeit" ist. Zudem gibt es ein paar Besonderheiten, die Android besitzt. Das Google-Betriebssystem setzt zwar auf einem Linux-Kernel auf, verwendet aber nicht die X-Server gängiger Linux-Systeme für die Bildschirmausgaben. Vielmehr erfolgen alle Bildschirmausgaben über einen Framebuffer. Daher können die gängigen Linux-Anwendungen nicht installiert werden - es sind vielmehr Anwendungen, die für Android geschrieben wurden, erforderlich. Matthäus Krzykowski und Daniel Hartmann haben daher zwischenzeitlich einen weiteren, als FAQ betitelten, Beitrag publiziert, der die ganze Situation zurecht rückt.

Es handelt sich also bei Android also nicht um eine "neue Linux-Distribution" für Netbooks - sondern um ein Handy-Betriebssystem, welches auch auf Netbooks läuft (nicht wirklich überraschend). Das Interessante an diesem Beitrag ist daher auch weniger die Tatsache, dass es ein weiteres Betriebssystem für Netbooks gibt, sondern die Aussicht, dass künftig die Grenzen zwischen Handys, PDAs und anderen Mobil-Devices durch solche Entwicklungen verschwimmen.

Wer sich im Bereich der MID-/Handy-SW-Entwicklung bewegt, erhält mit dem Beitrag von Mat & Daniel neue Anregungen (wobei für Entwickler vermutlich eine Variante, die in einer virtuellen Maschine unter VirtualBox bzw. VMware läuft, interessanter ist - dieser Port ist ebenfalls erfolgt und dürfte in den nächsten Tagen als Download bereitstehen).

Es bleibt also 2009 spannend und wird 2010 wohl noch spannender. Interessant dürften dann folgende Fragen werden:
  • Welche neuen Geräte (und Anwendungen) auf Basis von Android werden wir Ende 2009 oder in 2010 sehen?
  • Wie wird die Marktdurchdringung im Verhältnis zu Symbian oder Windows Mobile werden.
  • Wo wird Intel mit Moblin zu diesem Zeitpunkt stehen?
Während Android auf Handys wohl erfolgreich sein wird (schließlich stehen 30 Firmen der 'Open Handset Alliance' dahinter), sieht dies bei mobilen Internet-Devices (MIDs) und Netbooks ggf. etwas anders aus. Nach meinen Beobachtungen möchten viele Anwender diese Geräte als Notebook-Ersatz einsetzen und sind weniger auf PDA-Funktionen erpicht. Microsoft wird mit Windows 7 und ggf. Windows Mobile alles daran setzen, hier Marktanteile zu halten oder zu gewinnen. Intel wird mit Moblin ein weiteres Produkt für Entwickler im MID-Umfeld einspeisen - und die Ubuntu-Enwickler bei Canonical arbeiten daran, Ubuntu Netbook Remix fit für Netbooks zu machen. Der Anwender (und auch die Hersteller von Mini-Notebooks) haben viele Optionen. Wer ein Konkurrenzprodukt zum iPhone auf den Markt bringen will, wird mit Android eine interessante Option haben. Navis oder andere "Black-Box"-Geräte könnten aber eher mit Moblin ausgestattet werden. Es bleibt also spannend und ich habe hoffentlich die Möglichkeit, diese Entwicklung zu begleiten.

Nachtrag
Was bin ich Anfang des Jahres 2009 in Foren angemacht worden, als ich mich kritisch über die Erfolgsaussichten eines Android-Netbooks ausließ. Sieht aber so aus, als ob sich meine Einschätzung bewahrheitet. Wurden damals noch einige Netbooks mit Android angeboten, lichtet sich jetzt der Nebel. Plötzlich ist im Juli 2009 bei Google davon die Rede, dass Android "eigentlich nur für Smartphones und höchstens Netbooks gedacht sei, während Google OS auch Desktop-PCs adressiert".

Und nachdem ich meine Android-Installationen wieder vom Eee PC 701G gelöscht habe (war nicht zu gebrauchen), lese ich am 29. Juli 2009 in der Digitimes (bzw. bei Heise), dass Asus und Acer seine Netbook-Projekte für 2009 zurückzieht und auf 2010 verschiebt - wobei unklar sei, ob überhaupt Netbooks mit Android ausgeliefert werden (weil der Aufwand zur Portierung einer für Smartphones entwickelten Oberfläche für Netbooks schwieriger als erwartet - und die Marktnachfrage ungenügend - sei ). Kehrt das langsam Verstand bei den Leuten ein - oder war die Ankündigung eines Android-Netbooks seinerzeit eine Hitzewallung eines Marketing-Menschen, der mal das "Wasser testen wollte"?

Links
Android Übersichtsartikel bei Heise

Android auf dem Eee PC 701G mit Image

Android Portierung (HowTo-Diskussion)

Android Portierung (Diskussion)

ASUS arbeitet an Android für den Eee PC

(c) 2008 by Günter Born

Infos zum Eee PC finden Sie in meinen Eee PC-Handbuch. Literatur und weitere Tricks zu Windows XP. Literatur zu Netbooks mit Windows und Linux? Findet sich hier.

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