Montag, 9. März 2009
Populäre Android-Irrtümer ...
Ein Trend im Mobilfunkbereich der nächsten Jahre wird der Einsatz von SmartPhones sein. Kein Handy-Hersteller, der nicht solche Geräte im Portfolio hat. Als Betriebssystem wird (neben Windows Mobile und Palm OS bzw. Web OS) bei kommenden Produkten vor allem Android genannt. Gerade Android scheint als Betriebssystem für Viele seinen besonderenen Charme zu haben. Wenn ich mir die Blog- und Zeitschriften Beiträge so ansehe, scheint da das "Ei des Columbus" ausgebrütet zu werden. Fazit: "Android - das Linux für Telefone - frei, kostenlos und unabhängig." Alternativ-Betriebssysteme für Mini-Notebooks, Waschmaschinen und andere Geräte. Zeit, ein paar Blick hinter die Kulissen zu werfen und abzuklären, wo Wunsch und Wirklichkeit eventuell auseinander klaffen.

Die Vorteile von Android?

Schaut man sich einmal die Argumente an, die für den Einsatz von Android genannt werden, kommen häufig folgende Punkte auf den Tisch.
  • Android setzt auf Linux auf - und Linux ist ein freies Betriebssystem, also quasi von "Natur aus gut".
  • Es steht eine große Entwicklergemeinde hinter Android. Daher wird eine riesige Zahl an freien Anwendungen für Android verfügbar sein.
  • Android kann sogar als Betriebssystem für Rechner (Mini-Notebooks) eingesetzt werden, so dass eine weitere Linux-Variante verfügbar ist.
  • Android ist kostenlos und wird daher die Gerätepreise positiv beeinflussen.
Da mobile Geräte und portable Rechner in den Funktionen zusammen wachsen, hört sich das alles gut und irgendwie logisch an. Warum nicht ein Betriebssystem, welches in meinem Handy werkelt auch gleich auf dem Mini-Notebook oder sogar auf Notebooks bzw. Desktop-PCs einsetzen? Gleiche Anwendungen, Datentransfer kein Problem und telefonieren geht auch noch.

Risiko, Pferdefüße und mehr ...

Ich denke, Android hat schon seinen Charme und Google sowie die Hersteller der Open Handset Alliance werden mit allerlei Marketing-Maßnahmen auf diesen Zug setzen - um den "Zug in die richtige Richtung zu schieben". Der Technikenthusiast dürfte die neue "Freiheit" in vollen Zügen genießen.

Was mich aber etwas an dieser ganzen Sache stört, sind die vielen offenen Fragen, die von Dritter Seite entweder überhaupt nicht angerissen oder kaum wirklich beantwortet werden. Denn: Wer mit der neuen Technologie liebäugelt, tut aber gut daran, neben den Chancen auch die Möglichkeiten und Einschränkungen kennen und einschätzen zu können. Hier ein Versuch, die Haken und Ösen - oder die populären Irrtümer - bezüglich Android aus meinem momentanen Kenntnisstand zu beleuchten.

Android ist eine weitere Linux-Implementierungen, auch für Netbooks?

Für mache Zeitgenossen ist Android "sexy", weil es irgend etwas mit Linux zu tun hat - und Linux ist gut, weil es nicht von Microsoft ist. Stark verkürzt, aber die Argumentation in manchen Beiträgen.

Gerade hier beginne ich mich etwas zu zu wundern. Da braucht nur noch Linux erwähnt zu werden, schon funktioniert der Pawlowsche Refelex bei Technikenthusiasten - "haben muss". Aber wie sieht es mit den Fakten aus?

Ja, es stimmt, Android setzt auf Linux auf. Konkret steckt ein Linux-Kernel (2.26) als Basis dahinter. Bei Android ist außer dem eigentlichen Kernel nix mehr von Linux zu finden. Die gesamte Android-Oberfläche und vor allem die Anwendungen sind rein in JAVA programmiert. Statt aber auf die Sun JAVA-Runtime zu setzen, hat Google bei Android aus Lizenzgründen eine gänzlich andere JAVA-Runtime (Dalvik) gewählt. Diese benutzt einen anderen Bytecode als die Sun-JAVA-Engines. Also werden nur für die Dalvik-Engine erstellte Anwendungen laufen.

Anmerkung: Was mir besonders negativ auffällt: Beim Test des Android-Betriebssystems erwies sich die ganze Sache stellenweise doch als extrem zäh. Auf einem 1,9 GHz-Rechner dauerte es 30 Sekunden und mehr, bis der Android-Desktop auftaucht. Auch der Eee PC 701G mit Android startet nicht "on-the-fly". Irgendwie kommen wir so langsam in den Bereich der Windows-Startzeiten. Und wenn ich dann noch lese, dass Android "prädestiniert" für Hardware mit schwacher (langsamer) CPU sei, stellt sich mir die Frage, ob ich vielleicht langsam alt werde und die Welt nicht mehr verstehe. Mein Handy soll eigentlich ein paar Sekunden nach dem Einschalten zum Telefonieren bereit sein und nicht wie Windows einen 2 Gedenkminuten einlegen.

Wo es bei mir auch etwas hakt: Da unternehmen erwachsene Menschen riesen Klimmzüge, um vom "Big Brother" Microsoft und Windows wegzukommen. Das kann ich ja noch halbwegs verstehen. Aber was bei mir doch Staunen hervorruft, ist die Aussage dieser Menschen, Android auch als Netbook-Betriebssystem einsetzen zu wollen. Ein Betriebssystem, bei dem Google-Dienste fest verankert sind - und bei dem US-Anwender bereits feststellten, dass ihr Android-SmartPhone bei Auslandsaufenthalten heimlich "nach Hause telefoniert" und so horrende Rechnungen beim Mobilfunkanwender hinterließ. Schöne neue Welt ...

Android als Linux-Betriebssystem für Rechner?

Nachdem ein paar Enthusiasten bei Venturebeat zeigten, wie einfach sich Android für Mini-Notebooks übersetzen lässt und seit Asus ankündigte, eine Entwicklergruppe an Android Netbooks arbeiten zu lassen, überschlagen sich die Spekulationen. Es ist schon verlockend, wenn auf den ersten Blick noch eine Linux-Variante für Netbooks verfügbar ist.

Aber bei Licht betrachtet finde ich die ganze Geschichte schon etwas ernüchternd. Das, was sich der landläufige Benutzer unter Linux vorstellt, ist ein Linux-Kernel mit aufgesetztem x Windows und einer Desktop-Umgebung wie Gnome, KDE oder XFCE sowie die ggf. vorinstallierten Linux-Anwendungen.

Bei Android ist davon aber nichts mehr zu finden. Lediglich der Kernel ist Linux - das API von Android setzt auf eigene Frameworks auf und statt eines x Window-Fenstermanagers verwendet das Betriebssystem Framebuffer für Ein-/Ausgaben. Folglich laufen weder Linux-Anwendungen noch Desktop-Umgebungen wie Gnome, KDE oder XFCE. Bei den momentanen SmartPhone-Bildschirmen kein Beinbruch - aber für Notebook-Bildschirme doch wünschenswert.

Zwischenzeitlich haben einige Technikenthusiasten zwar eine Lösung über VNC (Virtual Network Connection) gefunden, so dass auch Desktop-Umgebungen wie Gnome, KDE oder XFCE machbar sind. Aber ich kann mir nicht helfen - schon wieder eine Bastellösung für eine Funktion, die von Hause aus nicht in Android vorgesehen ist. Nicht unbedingt das, was der Normalanwender einsetzen wird.

Es steht eine riesige Zahl an freien Anwendungen für Android zur Verfügung

Auch hier stimmt die grundsätzliche Aussage zwar, ist aber mit Vorsicht zu genießen. Google hat zwar den Android Market aufgesetzt. Dies ist aber so etwas wie das Pendant zum iPhone-Shop, in dem Entwickler ihre Anwendungen kostenpflichtig anbieten können. Es gibt zwar die Möglichkeit, über Links wie "Free" und "Paid", die Angebote zu filtern. Aber vieles ist in Englisch und gute Anwendungen werden kostenpflichtig sein. Vom Navi-System für 8 Euro/Monat bis zu Nonsense-Ware für 300 Euro habe ich alles schon gesehen. Positiv ist immerhin, dass ein Käufer kostenpflichtige Anwendungen innerhalb von 24 Stunden zurückgeben kann.

Freie Linux-Anwendungen wird man aber (wenn von der oben skizzierten VNC-Lösung abgesehen wird), wegen der unterschiedlichen Ansätze zur Steuerung der Ein-/Ausgaben, nicht einsetzen können.

Und wie hältst Du es mit dem Datenaustausch?

Da wird also das Zusammenwachsen von Handy (Telefonie), persönlichem Organisator (PDA) und mobilem Notebook (Netbook) propagiert, weil der Anwender überall auf seine Daten zugreifen können soll. Also ist es auch naheliegend, wenn auf allen diesen Geräten wichtige oder gar vertrauliche Daten abgelegt sind und untereinander ausgetauscht werden können.

Zum Thema Datensicherheit habe ich hier ein paar Fragen bzw. Probleme skizziert. Aber auch die Technik birgt da ihre Tücken. Während Microsoft für seine Windows Mobile-Plattform und zukünftige Entwicklungen bereits ein eigenes Protokoll und das SyncTool bereithält, ist mir bei Android nichts bekannt. Klar, das lässt sich über entsprechende Anwendungen, die auf Microsoft SycTool-Protokollen aufsetzen, lösen. Dumm nur, dass man damit auf Microsoft angewiesen ist - und wenn dann mal ein Patentinhaber mit Klage droht, steht das ganze Android-Geschäftsmodell auf der Kippe.

"Nix gut", sacht da der schlichte Mann - und als Entwickler würde ich auch nicht gerade auf die Plattform setzen, die durch so etwas unterzugehen droht. Als "Universalbetriebssystem" für Rechner (oder Mini-Notebooks) ist Android für mich, wegen der vielen Fragezeichen, aber noch weit entfernt - egal was Asus da in seinen Labors entwickeln lässt.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Aus technischer Sicht finde ich Google Android schon spannend. Aber als Plattform für intelligente Geräte wirft die ganze Entwicklung doch erhebliche Fragen auf. Wäre gut, wenn man da mal ein paar Antworten von den Entwicklern und vor allem Herstellern solcher Geräte lesen könnte.
(c) 2008 by Günter Born

Infos zum Eee PC finden Sie in meinen Windows XP. Literatur zu Netbooks mit Windows und Linux? Findet sich hier.

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